Snapdragon 888: Das kann der neue Super-Smartphone-Prozessor

02.12.2020

Qualcomm hat heute technische Details zum Snapdragon 888 vorgestellt – das System on a Chip (SoC), wird in 2021 eine Vielzahl von Top-Smartphones antreiben. Wir stellen die wichtigsten Eigenschaften vor.

Infos zum Prozessor

Insgesamt arbeiten acht Prozessorkerne im SD 888 – das ist an sich nichts neues. Aber zum ersten Mal setzt Qualcomm auf ein wirklich dreistufiges CPU-Modell (Kryo 680) mit Efficiency- und Performance-Kernen sowie einem “Prime”-Core, der diesen Namen auch verdient. Vier Cortex-A55-Kerne mit sparsamem Energieverbrauch sollen nicht zu aufwändigen Alltagsaufgaben effizient erledigen. Wird”s anspruchsvoller, können drei leitungsfähigere, aber auch energiehungrigere A78-Kerne hinzugezogen werden, die mit einer Taktfrequenz von bis zu 2,4 GHz arbeiten. Soweit ist folgt dieses Modell der CPU-Implementierung im SD865. Aber statt einfach einen weiteren A78-Kern mit höherer Taktrate als Prime-Core einzusetzen, kommt bei der Kryo-680-CPU die erste Implementierung von ARMs Cortex-X1-Prozessorkern zum Einsatz. Dies ist im Prinzip ein auf rohe Leistung optimierter A78, der deutlich mehr Fläche auf dem Chip benötigt und auch bei der Energieaufnahme kräftig zulangen dürfte. Der Einsatzzweck ist klar: Der X1 soll immer dann zum Einsatz kommen, wenn maximale Leistung wichtiger ist als ein ausgewogenes Verhältnis von Performance und Energieaufnahme. Klar ist damit auch: Der mit bis zu 2,84 GHz getaktete X1 wird nicht über längere Zeiten aktiv sein, sondern vor allem bei kurzen Lastspitzen eingesetzt werden.
Insgesamt soll der Kryo 680 25% mehr Leistung bringen als die CPU des Snapdragon 865 oder aber bei gleicher Leistung 25% weniger Energie verbrauchen. Dies sind gute Zahlen, die übrigens exakt denen gleichen, die Qualcomm letztes Jahr bei der Einführung des SD865 als Vergleich zum SD855 genannt hat.

Grafik / Gaming

(Bild: CHIP)

(Bild: CHIP) Qualcomms Top-Manager Alex Katouzian (Senior Vice President and General Manager, Mobile, Compute, and Infrastructure)
Nicht nur bei der CPU-Leistung hat Qualcomm nachgelegt, die Grafikeinheit “Adreno 660” im SD888 soll sogar gleich 35% schneller sein, als die im bisherigen Spitzenmodell Snapdragon 865. Bei gleicher Leistung soll die Energieeinsparung bei bis zu 20% liegen. Der 888 unterstützt natürlich Qualcomms “Elite Gaming”, und damit nun auch Spiele, die mit bis zu 144 Frames pro Sekunde laufen können. Durch “Variable Rate Shading” können Spiele-Entwickler künftig für eine noch schnellere Bilddarstellung sorgen: Diese vom Desktop-Gaming bekannte Technik erlaubt es, Bereiche festzulegen, die für den visuellen Gesamteindruck weniger wichtig sind, und diese beim Ausrechnen der Bilddetails mit niedrigerer Auflösung zu behandeln. Dies kann laut Qualcomm eine Performance-Verbesserung von 30% bringen.
Interessant klingt eine weitere neue Technik: “Game Quick Touch” dafür sorgen, dass bei Spielen der Touchscreen häufiger abgefragt wird und damit die Reaktionszeit auf Benutzereingaben kürzer wird. Am höchsten fällt dieser Vorteil laut Qualcomm bei Spielen aus, die mit 60 Bildern pro Sekunde laufen: Hier soll durch GQT eine Beschleunigung um 20% erreicht werden, bei 120-Hz-Spielen sollen es immer noch 10% sein.

Connectivity: 5G mit 5Gbit/s, Wifi 6 und mehr

Der Snapdragon 888 wird in 2021 viele der Top-Android-Smartphones antreiben.

Der Snapdragon 888 wird in 2021 viele der Top-Android-Smartphones antreiben. (Bild: Qualcomm)
Nachdem der aktuelle Snapdragon 865 ein reiner Anwendungsprozessor ist, der in nahezu allen Fällen gemeinsam mit dem 5G-Modem X55 verbaut wurde, ist der 888 wieder ein echtes System on a Chip und hat das neueste und leistungsfähigsten Qualcomm-Modem “X60” integriert. Neben sehr hohen Datenraten (im für Deutschland relevante “Sub 6”-Frequenzbereich spricht Qualcomm von bis zu 5 Gbit/s im Downlink) dürfte vor allem auch die Möglichkeit spannend sein, weit auseinanderliegende Frequenzbereiche (mm-Wave und Sub-6) sowie unterschiedliche Duplex-Techniken zu bündeln. So sollte der 888 dank des X60 Modems beispielsweise in der Lage sein, das derzeit mit FDD-Technik aufgebaute, breit verfügbare 5G per DSS (dynamic spectrum sharing) und das schnelle 5G, das auf 3,6 GHz im Zeitduplex (TDD) verfügbar ist, per Kanalbündelung zusammenzufassen.
Auch bei Thema WLAN und Bluetooth bringt der 888 dank verbautem FastConnect 6900 viele Neuerungen mit. Er wird beispielsweise Bluetooth 5.2 bieten, das vor allem durch die Unterstützung von besonders energiesparenden Audioübertragungen (Low Energy (LE) Audio) Vorteile bei der Laufzeit von In-Ear-Kopfhörern bieten soll. Zudem beherrscht der 888 auch die neuesten WLAN-Standards WIFI 6 und WIFI 6E, wobei letzterer aufgrund von in Deutschland bisher nicht zugeteilten und freigegebenen Frequenzbereichen auf absehbare Zeit erst einmal keine Rolle spielen wird.

Foto und Video

Die Smartphones haben die Kompakt-Kameras inzwischen fast komplett abgelöst. In den letzten Jahren gab es massive Fortschritte bei der Bildqualität, gerade auch in suboptimalen Beleuchtungs-Situationen. Zudem sind die Auflösungen bei Foto und Video ständig gestiegen, und auch bei der Farbtiefe setzt sich bei den Kameras die 10-Bit-Auflösung pro Farbe immer mehr durch. Entscheidenden Anteil daran haben die Bildbearbeitungsprozessoren (Image Signalling Processor, ISP). Diese sind ein hochspezialisiertes Stück Silizium und Bestandteil des Smartphone-System-Chips. Bei Qualcomm heißen die ISP “Spectra”, und der im SD888 eingesetzte Spectra 580 bietet gleich drei ISPs, die entweder unabhängig voneinander die Bilder der unterschiedlichen Kameras des Smartphones bearbeiten, oder gemeinsam den eingehenden Bild- und/oder Video-Datenstrom optimieren. Damit können die Nutzer dann zum Beispiel völlig ruckelfrei digital zoomen und dabei die unterschiedlichen Brennweiten aller verbauten Kameras ausnutzen. Zudem erlauben der Triple-ISP das gleichzeitige Aufnehmen von drei 4K-Videos – zum Beispiel eines mit der Weitwinkel-, eines mit der Zoom- und eines mit der normalen Kamera. Alternativ kann man auch drei 28 Megapixel-Fotos gleichzeitig schießen. Insgesamt schafft der Spectra 580 einen Durchsatz von 2,7 Gigapixel pro Sekunde und ist damit 35% schneller als der Spectra 480 im aktuellen Snapdragon 865.
Diese massive Bildverarbeitungspower soll laut Qualcomm Serienbild-Funktionen von 120 Bildern pro Sekunde möglich machen, bei einer Auflösung von 12 Megapixel. Zudem soll eine neue Low-Light-Architektur für bessere Fotos bei extrem dunkeln Lichtverhältnissen sorgen, Qualcomm stellt ansprechende Fotos bis hinunter zu 0,1 Lux in Aussicht

Echtzeit-HDR-Videos möglich

Für Video-Freunde spannend: Der Snapdragon 888 ist für “gestaffelte HDR-Sensoren” (staggered HDR) vorbereitet, die laut Qualcomm-Vice-President und Foto-Guru Judd Heap bald in Top-Smartphones verbaut würden. Sie sollen bei Videos einen dramatischen Qualitätssprung bringen, da sie dann Echtzeit-HDR für Videoaufnahmen erlauben. HDR steht für High Dynamic Range, und wird bei Fotos schon sehr häufig eingesetzt. Dabei werden Aufnahmen mit unterschiedlichen Belichtungen kombiniert, um auch besonders helle und besonders dunkle Bildbereiche mit guter Detailtreue darzustellen. Ein weiteres Feature für die Video-Aufnahme: Dank der ISPs und der Grafikeinheit erlaubt der SD888 das Aufnehmen und Abspielen von 4K-Videos mit 120 Hertz.
Spannend ist auch das Zusammenspiel der AI-Fähigkeiten des SD888 mit den ISPs um das Foto- und Video-Erlebnis besser zu machen. So übernimmt im neuen Snapdragon eine “Künstlicher Intelligenz” die Kontrolle über Auto-Fokus, Auto-Belichtung und Auto-Weißabgleich. Qualcomm hat Testpersonen mit VR-Brillen verschiedene Szenen gezeigt und per Eye-Tracking festgehalten, worauf die Probanden fokussiert haben. Diese Daten wurden dann benutzt, die neuronalen Netze im KI-Chip zu trainieren – in der Folge spricht Qualcomm von einer unglaublichen Verbesserung der Bildqualität.

KI und QuickCharge

Sensing Hub: Immer verfügbar, weil er kaum Energie benötigt
Sensing Hub: Immer verfügbar, weil er kaum Energie benötigt (Bild: Qualcomm)
Der Hexagon-780-Prozessor im Snapdragon 888 soll die KI-Leistung des Gesamtsystems massiv beschleunigen. Qualcomm hat ihn im Vergleich zu den früheren Hexagons nach eigenen Aussagen komplett neu entworfen und entwickelt. Dabei wurden dir bislang separaten Beschleunigungseinheiten für Skalar-, Vektor- und Tensor-Rechnungen zusammengelegt und mit einem 16mal größeren gemeinsamen Speicher ausgestattet. Neben weiteren Verbesserungen bei den Beschleunigern wurde zudem die GPU für den Einsatz in KI-Szenarien optimiert. Insgesamt haben all diese Optimierungen dafür gesorgt, dass der Snapdragon 888 nun ca. 26 Billionen Operationen pro Sekunde (Trillion Operations Per Second, TOPS) ausführen kann – der SD 865 liegt bei 15, die entspricht einer Steigerung um 73%. Allerdings sind solche Zahlen immer mit Vorsicht zu genießen, da sie immer nur einen kleinen Ausschnitt der Tätigkeiten einer KI-Engine bilden. Spannend ist immer auch, wie viel Leistung so eine AI-Engine benötigt – laut Qualcomm bringt der Hexagon 780 pro Watt dreimal so viel Performance wie der Vorgänger.
Neben der großen KI-Maschinerie mit Hexagon-, Adreno- und Kryo-Unterstützung bietet der Snapdragon 888 den “Sensing Hub”, der in der zweiten Generation mit einer fünfmal schnelleren KI-Engine ausgestattet ist als der im SD 865. Da der Sensing Hub ständig im Betrieb ist, um zum Beispiel auf Sprachbefehle zu reagieren, muss er äußerst genügsam beim Thema Energieverbrauch sein. Laut Qualcomm beträgt die Stromaufnahme im Betrieb nicht einmal ein Milliampere. Neben der direkten Reaktion auf Nutzerkommandos soll der Sensing Hub durch die Analyse aller verbundenen Sensoren, aber auch durch Input vom Modem, Wifi-Modul und GPS-Empfänger auch kontextuelle Anwendungen erlauben. So arbeitet Qualcomm mit Audio Analytic zusammen, um beispielsweise die Klingeltonlautstärke an die Umgebung anzupassen, in der sich das Smartphone gerade befindet.
Last not least: Der Snapdragon unterstützt die Version 5 von Qualcomms Schnelllade-Technik QuickCharge. Bei passendem Geräte-Design kann hier mit der Akku mit bis zu 100 Watt geladen werden. Ob damit das Aufladen von 0 auf 50% tatsächlich wie von Qualcomm versprochen in 5 Minuten klappt, werden wir mit Vergnügen testen, sobald die ersten Geräte bei uns im Testlabor sind.