Mit Licht gegen Covid-19
Ob zuverlässige Sterilisation, schnelle Diagnostik oder Forschung für ein tieferes Verständnis von Infektionen, die Photonik unterstützt den Kampf gegen die Pandemie an vielen Fronten.
UV-C-Licht im Wellenlängenbereich um 250 Nanometer tötet SARS-CoV-2-Viren zuverlässig ab. Das Wirkprinzip: In den Zellkernen der Viren absorbiert das chemische Element Thymin die UV-C-Wellen, wodurch die Viren absterben ohne sich weiter vermehren zu können. Mittlerweile steigt das Angebot an UV-C-Lichtquellen. Osram beliefert in großem Stil chinesische Krankenhäuser, die Oberflächen damit sterilisieren. LASER COMPONENTS bietet LED-basierte UV-C-Systeme an. Und das Berliner Ferdinand-Braun-Institut, Leibniz-Institut für Höchstfrequenztechnik (FBH) hat ein LED-Array-System entwickelt, das UV-C-Licht mit 230 Nanometer Wellenlänge emittiert, um Viren abzutöten. Auch erste Roboter für eine automatisierte UV-C-Sterilisation sind auf dem Markt.
Die Sterilisation von Oberflächen darf wegen der intensiven UV-C-Strahlung nur in menschenleeren Räumen erfolgen. Doch das FBH untersucht gemeinsam mit medizinischen Forschungseinrichtungen, ob gering dosierte UV-C-Bestrahlungen auch zur Virenbekämpfung auf Schleimhäuten in Nasenhöhle und Rachenraum geeignet ist. Dafür gilt es zu klären, ob das kurzwellige Licht neben den Viren auch das Erbgut der bestrahlten Körperzellen schädigt.
Schnelle Diagnose mit Licht
Der Schlüssel zur Eindämmung der Pandemie ist die Früherkennung von Infektionen. Dabei helfen Imaging-Systeme auf Basis hochauflösender Thermografie-Kameras, die potentiell Infizierte anhand ihrer erhöhten Körpertemperatur erkennen. Moderne Systeme erfassen parallel die Körpertemperatur mehrerer Personen. Berührungslos und dank moderner Infrarotobjektive hoch aufgelöst fixieren sie für Sekundenbruchteile den inneren Lidwinkel zwischen Auge und Nase und messen mit Genauigkeiten im Zehntelgrad-Bereich. Denkbar ist auch der Einsatz mobiler Messstationen. Unter anderem bietet STEMMER IMAGING ein modulares System auf Basis einer Langwelleninfrarot-(LWIR)-Kamera an, dass sich binnen Minuten aufbauen lässt und für Großveranstaltungen interessant werden könnte.
Körpertemperatur-Screenings sind ein erster Schritt. Zur Klärung, ob Fieber tatsächlich auf SARS-CoV-2-Viren zurückgeht, bedarf es einer praktikablen Feindiagnostik. Auch dafür liefert die Photonik neue Lösungsansätze. Etwa die Analyse infizierter Zellen per Raman-Mikroskopie. Das Prinzip: Per Laser in Proben eingebrachte Photonen interagieren mit Biomolekülen. Ihr Energieniveau sinkt, was zu einem für das jeweilige Molekül charakteristischen Streuungsspektrum führt. Umgesetzt in einem hochsensitiven konfokalen Raman-Trapping-Mikroskop ist das Prinzip für die Covid-19-Diagnostik nutzbar; zumal sich untersuchte Körperzellen für die Raman-Analyse mit einer optischen Pinzette im Laserfokus arretieren lassen. Kombiniert mit einer GigE Farb-Flächenkamera von Allied Vision erlaubt das System schnelle teilautomatisierte Analysen. Laut Hersteller CellTool bestätigen Vergleichstests mit gängigen, weit aufwändigeren Testmethoden die Befunde des Raman-basierten Virennachweises.
Ein neuartiger Sensor
Forscher des Leibniz-Instituts für Analytische Wissenschaften (ISAS) und der TU Dortmund haben ebenfalls eine optische Sensorik zum Schnellnachweis von SARS-CoV-2-Viren entwickelt. Sie macht die 100 bis 140 Nanometer kleinen Viren in Minuten über den Umweg der Oberflächen-Plasmonen-Resonanz sichtbar. Dafür wird ein goldbeschichtetes Prisma per Laser angestrahlt. Die hauchfeine Goldschicht ist mit spezifischen Antikörpern beschichtet. Enthält eine Speichel- oder Abwasserprobe SARS-Cov-2-Viren, binden diese an den Antikörpern an, was die Plasmonen-Resonanz messbar verändert. Die Analyse der am Virus gestreuten Plasmonenwellen erfolgt mit einem kamerabasierten Imaging-System, das die Signale mit künstlicher Intelligenz in Echtzeit auswertet. Die Dortmunder Physiker, Informatiker und Mathematiker haben die Wirksamkeit ihres PAMONO-Sensors an diversen Viren, darunter HIV und Hepatitis, nachgewiesen. In Qualitätskontrollen nutzen Pharmahersteller ihr Verfahren bereits. Nun treibt das ISAS-Team die Entwicklung eines Corona-Schnelltests voran. Dabei sind aus Sicherheitsgründen entkernte, aber voll intakten Virushüllen (VLP) im Einsatz
Die Suche nach optischen Hochdurchsatz-Verfahren treibt Forscher in aller Welt um. Einige setzen auf zeitlich und räumlich ultrahochauflösende Fluoreszenz-Mikroskopie, um ein tieferes Verständnis der Viren und der Funktionen ihrer Proteine zu erlangen. Andere nutzen Weitfeld-Fluoreszenz-Mikroskope in Verbindung mit Imaging-Technologien und Machine Learning, um SARS-Cov-2-spezische Antigene in menschlichen Blutseren nachzuweisen. Genau das hat ein internationales Team um die Infectious Diseases Imaging Platform der Uni Heidelberg in einer aktuellen Studie mit über 5.000 Freiwilligen erprobt. Die vorveröffentlichten Ergebnisse lassen laut Europäischem Netzwerk Euro-Bioimaging aufmerken: Die Sensitivität und Spezifität der COVID-19-Diagnose per Hochdurchsatz-Mikroskopie mit automatisierter Auswertung sei der zugelassenen ELISA-basierten Diagnostik überlegen. Besonders heben die Experten hervor, dass die Methode alle viralen Antigene SARS-CoV-2-infizierter Zellen nachweist, während ELISA-Verfahren nur eines oder wenige ausgewählte Antigene detektieren. Da Patienten unterschiedliche Spektren von Antikörpern gegen das Virus entwickeln, senke das neue mikroskopische Nachweisverfahren das Risiko falscher Testergebnisse.
Mikroskopischer Vorstoß in den Nanobereich
Während die Fluoreszenzmikroskopie für Schnellnachweise von Viren geeignet scheint, scheidet sie für die Beobachtung der Infektions- und Vermehrungsprozesse auf Zellebene aus. Einerseits bleichen die eingesetzten Farbstoffe innerhalb von Sekunden aus und sind häufig toxisch, was den Einsatz in lebenden Zellkulturen erschwert. Andererseits genügen die Empfindlichkeit und Auflösung nicht, um die nanoskopischen Bewegungen der 100 Nanometer kleinen Viren in infizierten Zellen räumlich zu erfassen. Doch genau das wäre laut Prof. Vahid Sandoghdar, Direktor am Erlanger Max-Planck-Institut für die Physik des Lichts und Leiter des Lehrstuhls für Experimentalphysik an der Uni Erlangen wichtig, um das Infektionsgeschehen in den Zellen besser zu verstehen. „Wie lange dauert es, bis Viren in menschliche Zellen eindringen, sich dort vermehren und eine neue Virusgeneration weitere Zellen befällt?“, fragt er. Antworten darauf soll ein gemeinsames Forschungsprojekt mit dem Virologischen Institut des Uniklinik Erlangen liefern. Im Zentrum steht das neue von Sandoghdar und seinem Team entwickelte Mikroskopie-Verfahren, das sich die interferometrische Lichtstreuung (interferometric scattering – iSCAT) von nanometerkleinen Biomolekülen zunutze macht. Mit diesem Verfahren macht das Team nun auch SARS-CoV-2-Viren sichtbar, indem es die Interferenzmuster des an ihnen gestreuten Laserlichts auswertet.
Das Ziel sind minuten- oder gar stundenlange Live-Streams aus infizierten Zellkulturen. Nachdem das Team ein iSCAT-Mikroskop für den Einsatz im Hochsicherheitslabor miniaturisiert, tastet es sich nun an die komplexe Virendetektion in Zellkulturen heran. „Die Schwierigkeit besteht darin, dass auch die anderen Biomoleküle in den Zellen streuen“, erklärt Sandoghdar. Sein Team arbeite sich schrittweise an die Aufgabe heran, die Interferenzmuster der Viren dennoch zu identifizieren. Dabei beginnen die Forscher mit einfachen Analysen, wie etwa der Quantifizierung von Viren in Proben oder der gezielten Zugabe von Viren in bereits beobachtete Zellen, um lokale Veränderungen der Interferenzmuster zu verfolgen. Die Forscher legen so die Grundlagen für ihren mikroskopischen Vorstoß ins Nanoreich – und sichern ihre Beobachtungen laut Sandoghdar durch begleitendes Fluoreszenz-Mikroskopieren ab. Wie so oft ist es auch in diesem Fall die Photonik, die neuen photonischen Verfahren den Weg ebnet.