Alps: Schweizer Supercomputer beflügelt K
30. Oktober 2024
“Alps” – so heisst der neue Hochleistungscomputer – soll unter anderem das Universum kartieren, Fakten von Verschwörungstheorien trennen und präzisere Klimamodelle entwickeln. Für private Unternehmen steht seine Rechenpower jedoch bis auf weiteres nicht zur Verfügung.
Der Vorgänger von Alps, der Supercomputer Piz Daint, wälzt seit 2013 Zahlen für wissenschaftliche Forschungsprojekte. Er kam unter anderem für MeteoSchweiz, die Eidgenössische Materialprüfungsanstalt EMPA und das Paul Scherrer Institut zum Einsatz.
Nun wird Piz Daint von Alps abgelöst. Dieser bietet im Vollbetrieb zwanzig Mal soviel Rechenleistung wie sein Vorgänger und damit genug, um das Potential der Künstlichen Intelligenz (KI) voll auszuschöpfen.
In Sachen Leistungsfähigkeit liegt Alps weltweit auf Rang 6 – nur die USA, Finnland und Japan haben noch potentere Rechner. Damit spielt die Schweiz bei den Supercomputern wieder in der Champions League, nachdem Piz Daint seine Position an leistungsstärkere Rechner in anderen Ländern hatte abtreten müssen.
Nur für wissenschaftliche Projekte
Das bedeutet jedoch nicht, dass nun auch zwanzig Mal so viele Wissenschaftler:innen Zugang zu diesem Hochleistungs-Computernetz erhalten, das sich über drei Standorte in der Schweiz und einen in Italien erstreckt. Piz Daint wurde bisher von 1800 Forscher:innen genutzt, für das neue Alps-Netz haben sich bisher 1000 Wissenschaftler angemeldet.
“Wir können das System nicht einer Million Forscher:innen zur Verfügung stellen”, betont Thomas Schulthess, Professor und Leiter des Swiss National Supercomputing Centre (CSCSExterner Link) gegenüber SWI swissinfo.ch. Mit ein Grund: Die Anschaffungskosten von CHF 100 Mio. und die jährlichen Betriebskosten von CHF 37 Mio. trägt die öffentliche Hand. “Unsere Infrastruktur wird mit Subventionen finanziert, und Subventionen sind begrenzt. Deshalb müssen wir den Zugang zum Rechner sehr restriktiv handhaben”, erklärt Schulthess.
Für eine breite kommerzielle Verwendung ist Alps also nicht vorgesehen. In den Genuss der zusätzlichen Rechenleistung kommen jedoch Schweizer und internationale Forschungsprojekte, namentlich in den Naturwissenschaften.
Unternehmen, die mit einer Schweizer Hochschule eine Forschungskooperation eingegangen sind, können sich gegen eine Nutzungsgebühr für den Zugang zu Alps bewerben.
Auch ETH-Spin-offs, die als Start-up-Unternehmen Projekte aus der Hochschulforschung kommerzialisieren, muss das CSCS als ETH-Institut während drei Jahren gegen eine Gebühr Zugang zum Supercomputer gewähren.
Der Verband zur Förderung digitaler Innovation in der Schweiz, digitalswitzerland, lässt verlauten, man stehe mit dem CSCS “im Austausch”, was den kommerziellen Zugang zu Alps betrifft. Konkretere Aussagen zum Fortschritt dieser Gespräche waren jedoch nicht zu erhalten.
Die Datenqualität sichern
Abgesehen von der Finanzierung durch die öffentliche Hand gibt das CSCS den Supercomputer noch aus anderen Gründen nicht einfach für die allgemeine Nutzung frei.
Das CSCS ist verpflichtet, die Datenqualität des Supercomputers zu gewährleisten und dafür zu sorgen, dass diese nicht durch Projekte mit weniger strengen Filtermethoden beeinträchtigt wird.
“In den Naturwissenschaften haben wir Methoden, um minderwertige Daten herausfiltern, die schon zu Zeiten von Galilei bekannt waren”, erklärt Schulthess. “Es ist uns ein Anliegen, dass sie auch in den Humanwissenschaften, der Privatwirtschaft und der Gesellschaft Anwendung finden.”
Im KI-Zeitalter gewinnen diese Methoden zunehmend an Bedeutung, denn die Rechner werden laufend leistungsfähiger und datenhungriger. Und sie werden darauf programmiert, Informationen selbständig zu verarbeiten. Werden KI-Systeme mit minderwertigen Daten gefüttert, besteht die Gefahr, dass subjektive und falsche Informationen reproduziert werden.
So trainiert Alps beispielsweise das Meditron Large Language Model (LLM), das aufbereitete medizinische Daten von hoher Qualität verarbeitet. Die Meditron-Daten werden dann von Ärzt:innen in Ländern mit einfacherer medizinischer Versorgung zur Unterstützung bei der Diagnose genutzt.
“Dank hochwertiger Daten kann man Patient:innen vielleicht überzeugen, sich für eine evidenzbasierte medizinische Behandlung statt für zweifelhafte lokale Arzneien zu entscheiden”, erklärt Mary-Anne Hartley, Professorin an der EPFL Lausanne und Mitglied des Meditron-Forschungsteams.
Fehler können fatale Folgen haben
“Über die Gesundheit entscheiden letztlich Daten – und minderwertige Daten gibt es wie Sand am Meer”, hielt Hartley bei einer Alps-Konferenz am 13. September 2024 in Zürich fest. “In ärmeren Ländern gibt es für Patient:innen kein Sicherheitsnetz. Ein Fehler könnte fatale Folgen haben. Deshalb müssten wir bei der Datenqualität den höchstmöglichen Standard anstreben.”
Aber: “Niemand weiss, wie sich maschinelles Lernen und Künstliche Intelligenz entwickeln werden”, meint Schulthess. “Der Wandel durch KI könnte derart tiefgreifend sein, dass wir für die Auswahl und Förderung von Projekten völlig andere Methoden entwickeln müssen.”
Projektspezifische Software-Portale
Um für die Zukunft gewappnet zu sein, wurde Alps mit mehr Flexibilität ausgestattet als sein Vorgänger Piz Daint. Alps imitiert ein Cloud-System, in das sich Forscher:innen über projektspezifische Software-Portale einwählen können.
“Früher haben Hochleistungsrechner eine Umgebung vorgegeben, mit der alle zurechtkommen mussten. Nun können wir zum ersten Mal gleichzeitig verschiedene Umgebungen betreiben, indem die Software-Schnittstellen auf die individuellen Bedürfnisse der einzelnen Forschungsgruppen zugeschnitten werden”, erläutert Schulthess.
Unter den Projekten, die sich schon für den Alps-Zugang beworben haben, befindet sich auch das “Square Kilometre Array Observatory”, das das Universum deutlich genauer kartieren möchte und dazu auf die Daten Tausender Funkantennen weltweit zugreifen will.
Die Entwicklung nicht Big-Tech überlassen
Eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen Schweizerischen und europäischen meteorologischen Diensten soll in Zukunft ausführlichere und exaktere Klimamodelle und damit bessere Prognosen ermöglichen.
Das CSCS bleibt bei der Auswahl der unterstützten Forschungsprojekte seiner bewährten Methode treu: Ein Panel aus internationalen Wissenschaftler:innen beurteilt die wissenschaftliche Integrität der Projekte und prüft, ob die Tests mit dem Supercomputer innerhalb der zugewiesenen Zeit erledigt werden können.
Tech-Giganten wie Google und Amazon haben eigene Superrechner gebaut, damit sie ihre eigene Forschung und ihr eigenes Geschäft ausbauen können. Alps hingegen stellt die neuen Möglichkeiten der KI für wissenschaftliche Forschung zur Verfügung.
“In einem derart zukunftsweisenden Bereich muss die Wissenschaft eine Vorreiterrolle übernehmen. Sie darf die Entwicklung nicht einfach einigen wenigen internationalen Grossunternehmen überlassen”, mahnte Christian Wolfrum bei der Vorstellung der Swiss AI Intitative letzten Dezember. “Nur so können wir die Unabhängigkeit der Forschung und die digitale Souveränität der Schweiz gewährleisten.”
Editiert von Veronica De Vore/ac, Übertragung aus dem Englischen: Lorenz Mohler